So bestimmt der Life Code den Ablauf Ihrer B2B -Verhandlungen
Mit diesem Beitrag möchte ich jedem, der professionell B2B-Verhandlungen führt (bzw. führen lässt), das im August 2020 erschienene Buch „Life Code“ von Dr. Hans-Georg Häusel empfehlen.
Mit diesem Beitrag möchte ich jedem, der professionell B2B-Verhandlungen führt (bzw. führen lässt), das im August 2020 erschienene Buch „Life Code“ von Dr. Hans-Georg Häusel empfehlen. Er stellt u.a. dar, wie sehr das Dominanzsystem den Life Code von Managern prägt. Diese Erkenntnis wirkt sich auch auf die Verhandlungsführung aus: Um im Driver-Seat zu bleiben, sollten Sie immer (in jeder B2B-Verhandlung) eine Prozess-Strategie wählen, die es dominanten Decision Makern ermöglicht, für Ihr Ziel zu kämpfen, ohne dabei aber am Ende das Gesicht zu verlieren, wenn sie eine Einigung finden. Exakt dieses Vorgehen gewährleistet die (prozessorientierte) ABC-Strategie.
Erstens: Sie entscheiden emotional – nicht rational
Häusel betont zunächst eine wissenschaftliche Erkenntnis, die es seit Mitte der 90iger Jahre gibt: „Alle unsere Entscheidungen sind emotional“ (S. 11). Oder anders ausgedrückt: „Nicht der Verstand beherrscht die Welt, es sind die Emotionen“ (S. 191).
Das ist nicht neu (vgl. z.B. Pfister/Jungermann/Fischer, Die Psychologie der Entscheidung, 4. Aufl. 2017), wird aber in Verhandlungen und auch der Wissenschaft oftmals ignoriert. Sätze wie „Bleiben Sie rational, Emotionen helfen hier nicht weiter“ oder „Der folgende Punkt ist ausnahmsweise sehr emotional“ kennt jeder erfahrene Verhandlungsführer. Schon 2008 hat der sehr renommierte Psychologe Prof. Wolfgang Salewski (u.a. ehemaliger Berater der Münchner Polizei, des BKA, des Auswärtigen Amtes, der GSG 9) in seinem wegweisenden Buch „Die Kunst des Verhandelns“ den damals (2008) aktuellen Stand der Wissenschaft wie folgt zusammengefasst: „Jedes Ansinnen, einen Konflikt sachlich zu klären, ist der verzweifelte Versuch, Emotionen auf die Sachebene zu verschieben“ (S. 108). Er schreibt weiterhin: „Leider sind diese Erkenntnisse in vielen gesellschaftlichen oder politischen Bereichen noch völlig unbekannt oder sie konnten sich noch nicht durchsetzen“ (S. 109). „Viele Konfliktparteien glauben immer noch an rationale Möglichkeiten, Konflikte zu lösen“ (S. 109) Aber: „Das Leben funktioniert nicht nach streng rationalen Gesichtspunkten, es ist geprägt von Wünschen und Ängsten“ (S. 264). Konflikte sind nicht durch sachliche Argumente, sondern nur durch Diskussion über die unterschiedlichen Emotionen bzw. Beweggründe zu lösen (S. 108f.).
Häusel ergänzt die von Salewski schon 2008 publizierte Erkenntnis der emotionalen Entscheidungsfindung, indem er (bewusst vereinfachend) die drei Emotionssysteme (und zugleich Motivationssysteme) des Menschen erklärt. Es geht um das Stimulanzsystem (Suche nach dem Neuen), das Dominanzsystem (Macht) und das Balancesystem (Sicherheit).
Die Stärke bzw. Schwäche des jeweiligen Emotionssystems ist bei jedem Menschen anders, jeder verfügt also über einen individuellen Mix in Bezug auf das Stimulanzsystem, das Dominanzsystem und das Balancesystem. Dieser individuelle Mix ist jeweils „das Fundament unserer Persönlichkeit“ und zugleich der jeweils individuelle Life Code. Aufgrund des jeweiligen Life Codes haben Menschen intensive oder schwache Neigungen. Häusel erklärt die Neigung sehr anschaulich mit dem Bild der Rolltreppe: wenn man seinen Neigungen folgt, ist es als würde man sich mit Leichtigkeit in Fahrtrichtung der Rolltreppe bewegen. Handelt man jedoch entgegen seinen Neigungen, ist es so, als ob man sich auf der Rolltreppe entgegen der Fahrtrichtung bewegt. Neigungen begünstigen also ein bestimmtes Verhalten (z.B. in Verhandlungen), legen einen Menschen aber nicht fest. Zusammenfassend kann man festhalten: „Der einsichtige Mensch akzeptiert, dass er nicht so frei in seinen Entscheidungen ist, wie er glaubt. Er akzeptiert, dass hinter allem, was er tut, ein emotionales Programm, der Life Code steckt“ (S. 192).
Ihr Life Code bestimmt auch, wie Sie die Welt sehen. Dasselbe gilt für Ihren Verhandlungspartner. Jeder sieht die Welt immer nur durch die „eigene emotionale Brille“. Niemals objektiv.
Zweitens: In der Wirtschaft regiert das Dominanzsystem
Es entspricht der Erfahrung, dass Personen, die im Wirtschaftsleben Verantwortung tragen (z.B. Manager) in der Regel eine sehr starke Ausprägung des Dominanzsystems (zugleich auch Aggressionssystem) aufweisen: „Im reinen Dominanzbereich geht es um Leistung, Zielerreichung und Wettbewerb. Prototypisch für diesen Wertebereich ist die Wirtschaft“ (S. 93). Das Mind-Set bei starker Ausprägung des Dominanzsystems lautet: „Sei egoistisch, Achte auf Deinen Vorteil, Setze dich durch, Vergrößere deine Macht und deinen Status, Sei besser als die anderen, … verdränge die Konkurrenz“ (S. 33).
Ein starkes Dominanzsystem finden Sie bei „Menschen, die klar entscheiden, die Verantwortung übernehmen und alle zu Höchstleistungen antreiben. In Top-Etagen von Unternehmen, auf Ministersesseln und in Generalsuniformen findet man viele Menschen mit einer hohen Ausprägung in dieser Dimension“ (S. 115). Auch wenn das Mind-Set unsympathisch sein mag, das Dominanzsystem ist „die zentrale Kraft des Fortschritts“ (S. 33); Menschen mit einem entsprechenden Life Code sind also für das Wohl der Gesellschaft unverzichtbar. Im Extremfall handelt es sich um „antisoziale Siegerpersönlichkeiten“. Ihr Life Code kann wie folgt skizziert werden: „Eine extreme Ausprägung im Dominanzbereich, eine mittlere bis hohe Ausprägung im Abenteuerbereich (Stimulanz) und eine mittlere bis hohe bei der Kontrolle. In allen anderen Bereichen dagegen sind sie weit unterdurchschnittlich“ (S. 117). … Sie zeichnen sich durch „fast gegen Null gehende Harmoniewerte aus“ (S. 117). „Sie sind hart zu sich selbst, aber noch härter zu anderen“ (S. 117).
Salewski sieht es ähnlich: „Menschen, Organisationen und Staaten streben nach Macht, weil sie damit ihr individuelles, strukturelles oder staatliches Selbstwertgefühl, ihre eigene Identität unter Beweis stellen wollen“ (S. 251). Das ist die Realität.
Drittens: B2B-Verhandlungen sind oft schwierig
In B2B-Verhandlungen verfügen nach meiner Erfahrung praktisch immer beide Decision Maker über eine intensive Ausprägung des Dominanzbereichs. Beide haben also das Mind-Set der Sieger: „Setze dich durch, Vergrößere deine Macht und deinen Status“. Der Einstieg in die Verhandlungen ist dementsprechend zwingend konfrontativ, solche Verhandlungen darf man ohne weiteres als „anspruchsvoll“ bezeichnen. Die Konfrontation ist sehr hilfreich, solange Sie – wie die professionellen Verhandlungsführer – nur inhaltlich konfrontativ (hart in der Sache) sind, während Sie persönlich sehr respektvoll auftreten.
Wie ich selbst mühsam gelernt habe, bleibt man bei anspruchsvollen B2B-Verhandlungen nur im Driver-Seat, wenn man die Best Practice kennt und perfekt beherrscht.
Viertens: So bleiben Sie Driver-Seat
Professionelle Verhandlungsführung beruht auf dem Einsatz von drei Kern-Strategien: der (aufgabenorientierten) Team-Strategie, der (verhaltensorientierten BMI-Strategie) und der (prozessorientierten) ABC-Strategie ( So erkennen Sie mit 3 Fragen einen professionellen Verhandlungsführer).
In diesem Beitrag gehe ich nur auf die ABC-Strategie und damit auf die Frage ein, wie Sie den Verhandlungsprozess strukturieren müssen, wenn beide Decision Maker aufgrund Ihres jeweiligen Life Codes vor allem von einem emotionalen Ziel geleitet werden: „Setze dich durch“.
Es ist sehr einfach, man muss es jedoch trainieren:
Phase A: In der Phase A haben Sie nur ein Zwischen-Ziel: die Analyse aller Konflikte (Analyse Open Points).
Natürlich wollen Sie als Decison Maker gewinnen. Deshalb gilt für Sie und Ihren Negotiator in der Phase A das Mind-Set: Play to win. Beauftragen Sie Ihren Negotiator wie folgt: Diskutiere jedes Thema (Preis/Lieferzeit/Qualität/Dauer des Vertrages usw.) intensiv. Tausche die Positionen aus (niedriger Preis versus hoher Preis, lange Lieferzeit versus kurze Lieferzeit usw.) und führe jeweils unsere Argumente bzw. unsere Sicht der Dinge aus. Höre unserem Partner zu und frage ihn, warum die jeweilige Position für ihn so wichtig ist. Bleibe in der Phase A inhaltlich hart und persönlich sehr respektvoll. Diskutiere nicht, um den anderen zu überzeugen, das gelingt oft nicht. Diskutiere, um uns Respekt zu verschaffen und unser Informationsdefizit zu reduzieren. Diskutiere jede einzelne Position so lange, bis Ihr euch im Kreis dreht. Genieße den Konflikt. Da beide Seiten sich durchsetzen wollen, werden wir bei vielen Punkten natürlich keine Lösung finden. Das wollen wir in der Phase A auch gar nicht. Gib keinen einzigen Punkt her, setze vielmehr alle Punkte auf eine „Offene Punkte Liste“. Dies beruhigt die Gemüter und keine Seite steht als Verlierer da. Dieses Procedere muss so lange fortgesetzt werden, bis alle Konflikte auf der „Offenen Punkte Liste“ stehen. Das ist die in B2B-Verhandlungen immer erstrebenswerte Sackgasse.
Stelle die legendäre Frage von George H. Ross, dem ehemaligen anwaltlichen Berater und Verhandlungsführer von Donald Trump:“ „If we solve all of these problems, do we have a deal?“ (Ross, Trump Style Negotiation). Wenn die Antwort “Ja” lautet, sind (jedenfalls zu diesem Zeitpunkt) alle Konflikte definiert.
Phase B: In der Phase B (Break 4 Change) haben Sie als Decison Maker nur ein Zwischen-Ziel: Sie entscheiden, mit welcher Konflikt-Strategie (Tipps für professionelle Nachverhandlungen) Sie fortfahren wollen: professionelle Konfrontation (wie in Phase A) oder Verhandlungen aussetzen oder Nachgeben oder fauler Kompromiss oder Kooperation. Wenn Sie die professionelle Konfrontation aus Phase A fortsetzen, werden Sie gewinnen oder verlieren. Wenn der Life Code Ihres Verhandlungspartners auch sagt „Setze Dich durch“, werden Sie beide verlieren und den Deal nicht machen. Das ist kein Problem, wenn Ihre Option zu dem erstrebten Verhandlungsziel, also z.B. Ihr Status quo, Sie zufriedenstellt. Wenn sie nachgeben, oder einen faulen Kompromiss schließen, ist die Verhandlung beendet. Schließlich können Sie aber auch zur Kooperation wechseln und (erst jetzt!) gemeinsam mit Ihrem Verhandlungspartner nach Lösungen suchen, in diesem Fall geht es weiter mit Phase C.
Phase C: In der Phase C (Concessions Package Procedere) werden Sie Ihren Negotiator anweisen, weiterhin versuchen zu gewinnen (play to win). Sie wissen aber auch, dass Ihr Partner nicht verlieren will und Sie nur dann ein Verhandlungsergebnis finden, wenn beide Seiten mit dem Ergebnis emotional zufrieden sind. Insbesondere darf keiner das Gesicht verlieren. Es gilt also in dieser Phase: Play to win and create satisfaction.
Die geschieht typischerweise durch das klassische „give and take bargaining“, also den Einsatz der psychologischen Waffe der Reziprozität. Es werden so lange Pakete verhandelt, bis alle Alpha-Tiere zufrieden sind. Es gilt das Motto: „Nothing is agreed until everything is agreed“. In der Phase C wird die Offene Punkte Liste aus der Phase A in einen Paket-Deal verwandelt, mit dem beide Seiten leben können, weil beide Seiten durch „Geben und Nehmen“ gesichtswahrend die Konflikte lösen.
Die hier skizzierte ABC-Strategie ist die typische Vorgehensweise von Profis, sie ist abgeleitet aus dem Thomas-Kilmann-Conflict Mode Instrument (https://kilmanndiagnostics.com/overview-thomas-kilmann-conflict-mode-instrument-tki/) und stellt eine Transformation der beiden Strategien „Competing“ und „Collaboration“ in eine in jeder B2B-Verhamdlung anwendbare „Prozess-Strategie“ dar.
Der Erfolg der ABC-Strategie wurde auch schon wissenschaftlich bestätigt: „Van de Vliert and colleagues developed evidence that the strategy of forcing, which are actions trying to „win“ conflict by getting one’s way, can be useful when followed by mutual problem-solving. Forcing seems to ensure that opposing issues are confronted so that protagonists understand each other and become motivated to resolve current issues whereas problem-solving helps them to do so.” (Tjosvold/Wong/Yi-Feng Chen, „Cooperative and competitive conflict management in organizations“ in Ajiko/Ashkanasy/Jehn, Handbook of Conflict Management Research) auf S. 44 f.).
Fünftens: Zusammenfassung
Menschen entscheiden emotional und suchen danach nach Begründungen für Ihre emotionale Entscheidung (sog. Rationalisieren). In B2B Verhandlungen ist typischerweise bei beiden Parteien das Emotionssystem betreffend die Dominanz sehr stark ausgeprägt. Beide haben das Mind-Set: setze dich durch. Damit beide das Gesicht wahren können und nicht als Verlierer dastehen, wenden diese Siegerpersönlichkeiten idealerweise die ABC-Strategie an: In der Phase A bleibt jeder inhaltlich hart, die Konflikte werden auf eine Offene Punkte Liste gesetzt. In der Phase B überlegt sich jeder, wie man mit den analysierten Konflikten umgehen will. Wenn sich beide für die Kooperation entscheiden, werden Pakete verhandelt, die vom Geben und Nehmen geprägt sind (Reziprozität). So geht keiner als Verlierer vom Feld.
Das praktische an dieser Methode ist: Man muss nicht darüber sprechen. Eine Seite regt einfach immer wieder an: „Lassen Sie uns den Punkt auf die Offene Punkte Liste setzen und später nochmals aufgreifen“. Wenn man glaubt, dass man alle Punkte diskutiert hat, fragt eine Seite: „Wenn wir all diese Punkte lösen, haben wir dann einen Deal?“ Das ist das Ende der Phase A. Wenn man sich in Phase C für die Kooperation entscheidet, fragt man in Phase C: „was halten Sie davon, wenn wir versuchen, alle Offenen Punkt nun im Paket zu lösen? Dabei gilt: „Kein Punkt ist geklärt, bis alle geklärt sind“. Ich selbst gehe in jeder Verhandlung so vor und habe in den letzten 20 Jahren noch in keinem einzigen Fall erlebt, dass die andere Seite diesem Vorgehen widersprochen hat. Entweder die andere Seite macht „erstaunt mit“ oder sagt: „ok, wie üblich“. Genau so bleiben Sie in herausfordernden B2B-Verhandlungen im Driver-Seat.
Insgesamt gilt: Vergessen Sie nie mehr den Life Code, denn „Wenn wir lernen, Konflikte … aus der Life Code-Perspektive zu betrachten, erweitern wir unseren Denk- und damit Handlungsrahmen enorm“ (Häusel, S. 193).
Dr. Hermann Rock
Play to win > create satisfaction
Entwickler des Driver-Seat-Konzepts | Über 20 Jahre Verhandlungserfahrung „am Tisch“ | Autor mehrerer Fachbücher zum Thema „Professionelle Verhandlungsführung“
Kundenstimmen:
Dr. Christoph Mund
"Dr. Hermann Rock ist Dozent in unserem Change & Innovation Management Studiengang, welches die Universität St. Gallen in Kooperation mit Dr. Wladimir Klitschko jährlich durchführt. Im Rahmen des Programms lehrt Hermann das Thema Verhandlung. Unsere Führungskräfte sind jedes Jahr aufs Neue von seinem Erfahrungsschatz, praxisnahen Tipps und wissenschaftlichen Erkenntnisse begeistert. Die Kombination aus Best-Practice und anwendungsorientierten Fallbeispielen schafft für unsere Teilnehmer einen nachhaltigen Mehrwert im Transfer. Wir können Hermann als Referent bedingungslos weiterempfehlen und stehen für weitere Auskünfte sehr gerne zur Verfügung."
CA Prof. Dr. H.
"Ich war als Chefarzt sehr glücklich mit meinem Beruf, aber sehr unglücklich mit dem Gehalt. Dr. Hermann Rock hat mit unermesslicher Freundlichkeit, perfekter Systematik und absoluter Präzision die Verhandlungen mit dem Geschäftsführer geleitet. Das Interesse der Gegenseite war gering, aber Dr. Rock hat durch geschickten Strategiewechsel das Interesse geweckt, die Motivation enorm hochgefahren und das Zielgehalt für mich erreicht. Interessant war, dass er die Reaktionen der Gegenseite immer voraus gesagt hat und diese sind immer genau so auch eingetroffen. Ich bin ihm unendlich dankbar, weil ich jetzt mit Beruf und Gehalt zufrieden bin."